Victor Ravizza:
Brahms. Spätzeitmusik. Die sinfonischen Chorwerke



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Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Einleitung

Rinaldo op. 50: Erkundungen zur Oper
Entstehung
Rezeption
Goethes Libretto
Exkurs: Brahms und die Oper
Ein kaschierter Opernakt?

Alt-Rhapsodie op. 53: Abseits
Kunst und Biographie
Goethe
C-Moll: Abseits
C-Dur: Überwindung?

Schicksalslied op. 54: Krise des Inhalts - Krise der Form
»Erinnerungen«
Hölderlin
Schopenhauer I
Die Vertonung
Schlussgestaltung
Tonarten
Schopenhauer II

Triumphlied op. 55: Festmusik
Irritation
»Halleluja-Perücke Händels«
Festmusik
Politik?

Nänie op. 82: Spätromantischer Klassizismus
Brahms und Feuerbach I
Schiller
Die Vertonung
Goetz
»Griechische Musik« - Rezeption
Brahms und Feuerbach II

Gesang der Parzen op. 89: Weltanschauung
Theodor Billroth
Zum dritten Mal: Goethe
Pessimismus
Chorepilog
Exkurs: Italienreisen
Architektonische Musik

Bibliographie
 

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Zusammenfassung des Inhalts

Noch ein Buch zu Brahms?
Ist nicht das Meiste schon gesagt und geschrieben? Die Quellen scheinen bekannt und ausgewertet, die Musik ist in klingenden und gedanklichen Interpretationen zugänglich, ästhetische Positionen wurden verteidigt oder relativiert. Ist dem noch beizufügen? Die Antwort scheint einfach: Da interpretierende Auseinandersetzung mit bedeutender Kunst bekanntlich auf vielfältig verwobenen Wechselbeziehungen beruht, sagt sie - wenn auch selten explizit - nicht nur über die Eigenheiten und Bedingtheiten ihres historisch oft fernen Gegenstandes aus, sondern ebenso über die eigene geistige und ästhetische Gegenwart, die zu verleugnen nicht möglich ist. Diese hermeneutische Grundeinsicht aber rechtfertigt oder verlangt gar den immer wieder neuen Annäherungsversuch an Kunstwerke, wie sie, erkannt und bewusst miteinbezogen, den Interpreten vor nicht einfache Entscheidungen der praktischen Umsetzung stellt. So gilt es abzuwägen, wie deutlich und absichtsvoll das Eigene, das auch in den kunsthistorischen Wissenschaften mit guten Gründen in den Hintergrund gewiesen wird, zu gewichten ist. Konkret: Wie weit will und kann ich mir selbst und dem Leser den subjektiven Anteil eingestehen, wie weit will ich diesem angemessenen Raum gewähren und wo liegen die Grenzen, die nicht zu überschreiten sind?
Die im Zentrum der Ausführungen stehende und bis anhin als solche eher wenig betrachtete Gruppe der sinfonischen Chorwerke scheint einem Gegenwartsbezug besonders offen, ihn teilweise geradezu herauszufordern. In wenigen anderen Werken von Brahms äussern sich in ihnen Zukunftsverunsicherung, Spätzeitskepsis, ja gar offener Pessimismus in derart ungeschminkt direkter, auch heute noch aufwühlender Ansprache. Stehen demnach das Nachdenkliche und Eingedunkelte der Musik von Brahms wie auch das damit verbundene, restlos nicht mehr einlösbare Bemühen um deren klassizistische Rettung im Vordergrund, sind andererseits die lichteren Seiten, die es auch gibt, nicht bestritten, nur eben bewusst weniger thematisiert. Ein Beleuchtungsproblem.
 
Für wen ist das Buch geschrieben?
Von Anbeginn war keine an den engen Kreis der akademischen Forschung gerichtete Publikation beabsichtigt. Der fantasierte ideale Leser dürfte jener musikalisch wie geistesgeschichtlich interessierte sein, der womöglich trotz geringerer Fachausbildung sich auf eine Schrift mit verbindlichem wissenschaftlichem Standard einzulassen gewillt ist. Vermieden wurde folglich eine allzu stark wuchernde und anspruchvolle musiktheoretische Terminologie. Und tritt sie in gewissen Analyseteilen dann doch in den Vordergrund, werden diese typografisch abgehoben. Sie können übersprungen werden. Liest man sie trotzdem, dürfte zumindest das Bemühen auffallen, auch solchen Abschnitten ein gewisses Mass an direkter sinnlicher Wirkungskraft zuzugestehen.
Das Buch umfasst nach einer Einleitung sechs Kapitel, je eines für die sechs vorgestellten Werke. Die Vertonungen stehen jeweils im Zentrum, sind freilich von Exkursen und Ausschweifungen umgeben, die zum Teil ein gewisses Eigenleben führen. Momente der Irritation mögen dem Brahms-Freund einige kritische Beobachtungen und Bemerkungen zu den Vertonungen sein. Dies resultierten nicht aus schulmeisterlicher Selbstüberschätzung des Autors, sondern aus der persönlichen, platonisch genährten Überzeugung vom Annäherungscharakter grosser Kunst, von deren nie restlos belohntem, in Spätzeiten noch besonders prekärem Streben nach Vollendung. Im Werk von Brahms kann sich das Moment des nicht völlig Gelungenen so verstanden gar zur faszinierenden ästhetischen Qualität wenden.
 

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Gesetzt wurde dieses Buch aus der »Bembo«, einer Renaissance-Antiqua, die der Drucker Aldus Manutius 1496 für den Druck des Traktats De Aetna von Pietro Bembo verwendete. Geschnitten wurde sie von Francesco Griffo aus Bologna. Die Kursive stammt jedoch nicht von Griffo, sondern ist dem Musterbuch des Giovanni Tagliente, Venedig 1524, entnommen. Gedruckt wurde das Buch auf »Munken Premium Cream«, ein Werkdruckpapier* mit angenehm gelblichweißer Färbung und hohem, griffigem Volumen,** das von der Papierfabrik Munken in Munkedals/Schweden hergestellt wird. Selbstverständlich ist dieses Papier säurefrei, holzfrei und alterungsbeständig. »Alezan Cult« ist ein Umschlagkarton mit lederartig geprägter Oberfläche, der von der Büttenpapierfabrik Gmund am Tegernsee in alter handwerklicher Tradition gefertigt wird. Auch dieser Karton ist chlor- und säurefrei, pH-neutral und somit sehr alterungsbeständig.

Berühmt wurde Manutius durch den Druck des Werkes Hypnerotomachia Poliphili von Francesco Colonna 1499, das als eines der am besten gedruckten Bücher seiner Zeit gilt. Schrift, Bild (Holzschnitte), Schmuck (Initialen) und Typografie sind hier erstmals in einem Renaissance-Buch in idealer Weise zu einer harmonischen Einheit verbunden worden. Gesetzt ist dieses Buch aus der sogenannten Poliphilus-Type, die ebenfalls von Francesco Griffo entworfen und geschnitten wurde und eine Weiterentwicklung der »Bembo« darstellt. Die Drucke Manutius', die die Schriften Griffos verwenden, wurden die ersten Drucke von bleibender Bedeutung in einer Antiqua-Schrift, nachdem zuvor, etwa um 1470, Nicolaus Jenson den Prototyp der Renaissance-Antiqua geschaffen hatte. Dieser Schrifttypus stand ästhetisch - aber auch satztechnisch - in starkem Kontrast zu den anderen Schriften jener Zeit: den Gotico-Antiqua-, Rotunda- und Textura-Schriften. Im 16. Jahrhundert setzte sich die Renaissance-Antiqua in Frankreich, Italien, Spanien und England rasch durch, auch wenn die anderen Schriften - vor allem die raumgreifende, repräsentative Textura (Missalschrift) - noch lange in Gebrauch blieben (die folgende Abbildung zeigt ein Textura-Alphabet mit lateinischem Vaterunser aus dem Lehrbuch Kaiser Maximilians; in der Initiale »P« ist Maximilian mit seinem Lehrer zu sehen). In Deutschland hingegen wurde die Fraktur zur vorherrschenden Schrift. Diese wurde auf Initiative von Kaiser Maximilian, der Bücher sammelte, sich für Schriftkunst interessierte und selber Schriftentwürfe zeichnete, von dem Augsburger Drucker Johann Schönsperger entwickelt und erstmals im Gebetbuch Maximilians (Augsburg 1514) gedruckt. Um 1600 hatte sich die Fraktur in Deutschland weitgehend durchgesetzt, lediglich theologische und wissenschaftliche Werke sowie Zeitschriften wurden mit Rücksicht auf die Gelehrten anderer europäischer Länder in Antiqua gedruckt.
 
Literatur: Colonnas Hypnerotomachia Poliphili ist als Nachdruck mit separatem Kommentarband erhältlich (Adelphi Edizioni, Mailand, 2. Auflage 1999). Das Gebetbuch Kaiser Maximilians mit den Randzeichnungen von Albrecht Dürer und Lucas Cranach d. Ä. gibt es als prächtiges Faksimile im Samteinband mit Goldprägung (Prestel-Verlag, München 1987). Mehr zu den bibliophilen Neigungen Kaiser Maximilians enthält der Kommentarband »Kaiser Maximilian und die Medien seiner Zeit«, der dem Faksimile des von Maximilian verfaßten Epos Die Abenteuer des Ritters Theuerdank (1517) beiliegt (Taschen, Köln 2003). Ein grundlegendes Werk zur Buch- und Schriftgeschichte ist Das Buch vom Buch. 5000 Jahre Buchgeschichte von Marion Janzin und Joachim Güntner (Schlütersche, Hannover 1997).

*    Werkdruckpapier: Ein hochwertiges, maschinenglattes (so wie es aus der Papiermaschine kommt) oder (wie »Munken Premium Cream«) leicht satiniertes (geglättetes) und wenig geleimtes Druckpapier.
**  Papiervolumen: Das Munken-Werkdruckpapier mit einem Flächengewicht von 90g/qm hat 1,75faches Volumen, das heißt: Das Papier ist - im Vergleich zu einem Standardpapier mit demselben Flächengewicht und 1fachem Volumen - dicker, ohne schwerer zu sein.

 

Im folgenden sehen Sie einige Seiten aus dem Buch, die die oben gegebenen Erläuterungen illustrieren. Um diese PDF-Dateien ansehen zu können, benötigen Sie das Programm »Adobe Acrobat«.

Hintere Umschlagseite mit Buchrücken und vorderer Umschlagseite. Bitte bedenken Sie, daß die Farben, wie Sie sie am Bildschirm sehen, und auf dem gedruckten Buchumschlag mehr oder weniger stark voneinander abweichen können. Das hängt damit zusammen, daß wir für den Druck Sonderfarben verwenden, die mit dem 3-Farb-System eines Monitors (RGB-Modus) nicht adäquat wiedergegeben werden können. Diese Ansicht soll Ihnen nur eine ungefähre Vorstellung des Ganzen vermitteln.
Der Haupttitel auf einer Doppelseite
Vier verschiedene Seiten aus dem Buch
 

 

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Rezensionen

Forum Musikbibliothek, Heft 3, 2008       Ausgehend von der Beobachtung des öffentlichen Konzertbetriebes und der Trends auf dem Tonträgermarkt sowie der musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Werk des Komponisten stellt man fest, daß es bei Johannes Brahms (…) eine vernachlässigte Werkgruppe gibt, sie sich der allgemeinen Wahrnehmung entzieht - die der Chorsinfonik. Nun hat ein kleiner, aber feiner Verlag eine feine, aber gar nicht kleine Studie von Victor Ravizza, emeritierter Professor für Musikwissenschaft der Universität Bern, herausgebracht, der sich intensiv mit der Thematik beschäftigt hat. Ravizza hat sich zum Ziel gesetzt, einem breiten musikinteressierten Publikum diese wenig beachteten Kompositionen aus der Zeit von 1863 bis 1882 (…) nahezubringen. Die Vertonungen stehen in sechs werkbezogenen Kapiteln im Zentrum der Betrachtungen, fächerübergreifende Exkurse in andere Disziplinen weiten den Blick. (…) Ravizza gewährt intensive Einblicke in die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der einzelnen Werke und erklärt schlüssig, warum die meisten weitgehend in Vergessenheit geraten sind. (…) In wenig anderen Werken des Komponisten spiegeln sich Pessimismus, Zukunftsverunsicherung und »Spätzeitskepsis« eindringlicher wider als eben in dieser Gattung. Textstellen, in denen Ravizza allzusehr ins Detail geht, sind übrigens typographisch hervorgehoben, damit man sie ggf. auch überlesen kann. Eine lohnenswerte Lektüre!    Claudia Niebel

Österreichische Musikzeitschrift, Heft 6, 2009       Mit dieser Studie hat Victor Ravizza ein ebenso kluges wie bedenkenswertes Buch vorgelegt. Gedacht für »ideale Leser«, die sich selbst ohne fachliche Vorkenntnisse auf einen wissenschaftlichen Text einlassen, ist die Arbeit ein Gewinn auch für die Forschung, in der eine zusammenfassende Untersuchung dieser Werkgruppe bislang fehlte. (…) Umsichtig werden die brieflichen Belege ausgewertet, um die Entstehung der Werke zu erhellen. Ausgehend von den Texten, bemühen sich dann knappe Analysen um eine Charakteristik der Kompositionen. Daneben bleibt Raum für Exkurse, die sich auf spezielle Interpretationsfragen richten. Wie souverän der Verfasser die Forschung überblickt, beweisen die Nachweise in den Anmerkungen und im umfänglichen Literaturverzeichnis. (…) (Ein Buch), das jedem Leser zu empfehlen ist.    Friedhelm Krummacher

Die Musikforschung, Heft 1, 2010       Ravizza bietet bei jedem der sechs Werke eine kompetente Übersicht zum Forschungsstand, erweitert diese an zentralen Stellen zu Exkursen (Oper, Italienreisen) und interdisziplinären Ausblicken (Philosophie, Literatur, Malerei, Architektur) und nutzt so die Besprechung der sinfonischen Chorwerke zu einer differenzierten Auseinadersetzung mit der philosophischen und musikästhetischen Ideen- und Gedankenwelt von Brahms, die unter dem Begriff des spätromantischen Klassizismus gefasst wird. (…) ein höchst lesenswertes Buch (…) Das Lesevergnügen wird durch ein ansprechendes Layout der für ihre bibliophile Gestaltung bekannten Edition Argus auch optisch und haptisch unterstützt.    Marion Gerards

      

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