Heinz Geuen:
Von der Zeitoper zur Broadway Opera.
Kurt Weill und die Idee des musikalischen Theaters



Zusammenfassung



Rezensionen




Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Zwischen Avantgarde und Populärer Musik: Kurt Weill im Spektrum
   der soziomusikalischen Situation der Weimarer Republik

Stilpluralismus versus künstlerische Identität? Eine Annäherung an das Phänomen Weill

Schönberg und Strawinsky: Fortschritt und Reaktion?

»Ich fühle luft von anderem planeten«: Kurt Weills Beziehung zum musikalischen Expressionismus

»Es liegt in der Luft eine Sachlichkeit«: Das Konzept der Neuen Sachlichkeit und dessen
Beziehung zum künstlerischen Weg Kurt Weills

»I got Rhythm«: Zur Jazz-Rezeption in der Weimarer Republik

»Das hat die Welt noch nicht gesehen«: Kabarett, Operette und Revue als Embleme
populärer Kultur der zwanziger Jahre
        Kabarett oder »Die Kunst, ein Chanson zu singen«
        »Schlösser, die im Monde liegen«: Operette und Revue der zwanziger Jahre

»Vivere necesse est, artem facere non«: Gebrauchskunst und Gebrauchsmusik
als demokratisches Kulturkonzept
        Aspekte des Terminus »Gebrauchsmusik«
        »Die Musik ist nicht mehr eine Sache der Wenigen«: Kurt Weills Position
        im Kontext der Konzepte von Gebrauchsmusik

II. Zeitoper und Opernkrise: Musiktheater im Zeichen der Neuen Sachlichkeit

»Zurück zu Mozart!«: Antiwagnerianische Opernkonzepte zu Beginn des 20.Jahrhunderts

»Neues vom Tage«: Die Zeitoper als Komische Oper der Neuen Sachlichkeit

Zur Physiognomie der Zeitoper: Eine exemplarische Interpretation
dramaturgisch-musikalischer Konzepte
        »Dasganze Leben ist ein Spiel«: Ernst Kreneks Jonny spielt auf als
        Paradigma der Zeitoper
        »Musik in diesem Augenblick«: Weills »letzte« Oper Der Zar läßt
        sich photographieren 
        »Verdi ist der Mozart Wagners«: Hindemiths Zeitopernkonzept als
        Balance zwischen Formalismus und Parodie

Das Problem der Zeitoper: Eine vergleichende Bestandsaufnahme

III. Die Idee des musikalischen Theaters

Weill, Busoni und Brecht

Gestus und Verfremdung: Eine Annäherung an mißverständliche Kategorien

Die Alchemie der Musik

IV. Musik im musikalischen Theater

Kontinuität statt Spaltung: Weills musikalische Entwicklung als
entschiedenes »Bekenntnis zur Oper«

Verfremdung als technischer Trick?: Das Liebeslied aus der
Dreigroschenoper vor dem Hintergrund der Operette

Analytische Anmerkungen zum »falschen Richard Strauss«

Revue und Psychoanalyse: Musikalische Alchemie in Lady in the Dark 

Broadway Opera: Weills Street Scene als Vollendung des Konzepts der Zeitoper

Nachwort
Literatur
Nachweise

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Zusammenfassung des Inhalts

Kurt Weills musikalisches Theater:
Klarheit der Sprache, Präzision des Ausdrucks, Unkompliziertheit des Gefühls

»Musik für das musikalische Theater«, so formulierte Kurt Weill das Ziel seiner Arbeit. In mehr als zwanzig Bühnenwerken, deren Texte ein Autorenspektrum aufweisen, das von Georg Kaiser über Bertolt Brecht bis Alan Jay Lerner reicht, hat der Komponist ein facettenreiches Œuvre vorgelegt. Es steht für den Anspruch ein, die Oper durch das Theater zu erneuern. Fast fünfzig Jahre nach dem Tod Kurt Weills ist die Wahrnehmung des Komponisten in der Öffentlichkeit aber immer noch fast ausschließlich an dessen Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht in den 20er Jahren geknüpft und mit Merkmalen einer nebulösen, als fortschrittlich geltenden »Brecht-Weill-Stilistik« verbunden. Weills Kompositionen, die in der Emigration in den USA entstanden sind, werden dagegen nur am Rande wahrgenommen und als ästhetisch belanglos und rein kommerziell abgetan.

Heinz Geuen versucht, dieses schiefe Bild zurechtzurücken. Er analysiert Weills deutsche und amerikanische Musik, wobei er stärker den Aspekt der Kontinuität als den der Spaltung in einen »guten« und einen »schlechten« Weill in den Vordergrund rückt. Kristallisationspunkt dieser Betrachtung ist Weills Idee des »musikalischen Theaters« – ein geradezu postmodernes Konzept, in dem stilistische Vielschichtigkeit sich durch die Schlüssigkeit der dramatischen Funktion von Musik legitimiert.

Das Buch beginnt mit einer Bestandsaufnahme der soziomusikalischen Situation der Weimarer Republik und der besonderen Rolle, die Weill zwischen den Extremen der Avantgarde auf der einen und der Neuen Sachlichkeit auf der anderen Seite spielt. Weill, der schon früh von den musikalischen Möglichkeiten und der gesellschaftlichen Aufgabe des Theaters fasziniert war, entwickelte im Laufe der 20er Jahre eine Musiksprache, die »freier, leichter und einfacher« sein sollte. Dieser Entscheidung für einen populären, verständlichen Stil liegt ein musikalisches Denken zugrunde, dessen Wurzeln bei Mozart sowie in den Gebrauchsmusikkonzepten und den Zeitopern der 20er Jahre zu suchen sind. In der Zeitoper nutzte er die Möglichkeit, mit Montage- und Zitattechniken dramaturgisch und musikalisch zu experimentieren. Zugleich überführte er den persiflierend-nihilistischen Grundzug der »Bürgerschreckopern« in ein neues, gesellschaftlich engagiertes Musiktheater. Mit Lady in the Dark, Street Scene und Love Life gelang ihm in den 40er Jahren schließlich die konsequente Vollendung eines Opernkonzepts, das bereits in seinen frühen Einaktern angelegt war. Der Weg dorthin führte ihn ebenso produktiv wie konfliktträchtig für relativ kurze Zeit mit Bertolt Brecht zusammen. Weills Auffassung von Musiktheater konnte jedoch kaum mit den Vorstellungen des Dichters über die Rolle der Musik auf der Bühne zur Deckung gebracht werden. Beide trieb der Nationalsozialismus ins amerikanische Exi l. Während Brecht sein Konzept des epischen Theaters verfeinerte, suchte Weill – von George Gershwin fasziniert – nach einer amerikanisierten und zugleich stilistisch »emanzipierten« Musiksprache im Dienste des Theaters.

Von der Zeitoper zur Broadway Opera: Heinz Geuen gelingt es, die vielfältigen Äußerungen und verschiedenartigen Bühnenwerke Kurt Weills auf ihre durchgehenden ästhetischen und musikalischen Grundlagen zu stellen, wodurch sein Buch als eine ideale Einführung in das musikalische Denken des Komponisten gelten kann.

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Rezensionen

Kurt Weill Newsletter, Volume 15, Number 2, 1997       (…) In the first and largest of his four chapters Geuen explores Weill’s socio-musical background in Europe, locating his influences in the avant-garde, expressionism, Neue Sachlichkeit, jazz, and popular stage genres such as revue, operetta, and cabaret. The vastness of this undertaking confines Geuen to a »condensed portrayal« (p. 10), in wich he gives a brief survey of the standard literature in each of the fields he considers to have influenced his subject. Weill’s understanding of both »popular« and »artistic« phenomena was the basis for his rich and diverse musical language, as Geuen rightly observes. Weill’s use of popular idioms has caused a number of apologetic authors to »insulate [him] from th leading figures of the Kleinkunst and revue scene in the Weimar Republic,« a fact that Geuen dismisses as a »wrongheaded ›rescuing‹ of the composer for so-called serious art« (p. 64). Geuen convincingly argues that attempts to judge Weill’s work from the standpoint of an autonomous aesthetic – as Adorno did most prominently – are bound to fail. (…)

In subsequent chapters the author traces Weill’s career-long development of an overall musico-dramaturgica1 concept in his works for the stage. Geuen discusses Der Zar läßt sich photographieren and Royal Palace, along with Krenek’s Jonny spielt auf and Hindemith’s Neues vom Tage, to argue that Zeitoper, as a symptom of a greater crisis in opera, presented the necessary context for Weill to develop and expand his theatrical skills. In contrast to his colleagues, Weill’s special dealing with the »›flash in th pan‹ Zeitoper« (p. 224) is seen in Geuen’s study as a key to his later works, particu1arly the ones composed in the United States. The third chapter, wich is dedicated to Weill’s theories of musica1 theater, discusses the influence of Busoni (…) and the different concepts of Verfremdung und Gestus held by Weill and Brecht respectively. Here Geuen gives a clear and detailed analysis of this often inadequately treated issue.

The final chapter provides four analytical essays in which Geuen illustrates his theory of continuity in Weill’s concept of musical theater. (…)

Geuen’s theoretical stance is clearly delineated, and, because his definition of Gebrauchsmusik (and the arguments derived from it) follow Weill’s own writings c1osely, they do not fall victim to the perils of a relativism usually inherent in functional theories. The continuity of Weill’s musico-dramaturgical concept, wich Geuen carefully and convincingly revea1s, is essential to any discussion of Weill’s music. (…)
Finally, it should not pass unmentioned that the quality of the printing is superb and the book is also well-bound. (…)
Elmar Juchem

 

Neue Zeitschrift für Musik, März/April 1998      (…) Desungeachtet kommt Geuen (…) einige Schritte weiter in der Erforschung der nicht so sehr binnenmusikalisch, dafür umso mehr im Bezug von Musik, Theater, Publikum und sozialem Milieu komplexen Musik Weills – eine Komplexität, deren ästhetischer Rang immer noch zugunsten technisch-materialer Komplexität unterschätzt wird. (…)

Darüber hinaus bietet Geuen reiches Material besonders zur Musiktheater-Kultur der Weimarer Republik mit Akzentuierung populärer bis demokratischer Tendenzen. Beim Musiktheater-Konzept hebt auch er die Wichtigkeit Busonis für Weills Ästhetik hervor; und zum Gestus-Begriff liefert er, trotz manchem doch sozusagen schon traditionellen Begriffe-Kloppen, anti-traditionelle und erhellende Überlegungen. Sie werden ergänzt und erweitert durch ausgiebiges Material zu Operette, Revue, Kabarett, Chanson, »Gebrauchsmusik«, deutsche Jazz-Rezeption der 20er Jahre, die Weills Stellung zwischen Nachexpressionismus und Neuer Sachlichkeit, »zwischen Avantgarde und Populärer Musik« präzisieren. Gestützt auf die Untersuchungen zu Gattungs-und Theatergeschichte, zu »sozio-musikalischer Situation« vor allem in den 20er Jahren, betont er, wie auch der eine oder andere vor ihm, die Konstanz des humanistischen Impulses, der die bestehende »Marktwirtschaft« auch noch unter in manchem (vor allem dem Abstand zwischen den dortigen Librettisten und Brecht) eingeschränkteren US-Bedingungen transzendiert.
Hanns-Werner Heister

 

Österreichische Musikzeitschrift 7-8, 1998      Eine verdienstvolle Arbeit aus zwei Gründen: 1. wird damit ein weiteres Mal, und sehr fundiert, die immer noch in Europa herumgeisternde Legende von den »zwei Weills« ad absurdum geführt; und 2. liefert Geuen (…) ebenso informative wie materialreiche Überblicke zu den vielfältigen theatralischen und musikalischen Einflüssen, die (nicht nur) Weills Schaffen mitprägten (…) Fazit: lesenswert.
Jürgen Schebera

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