Hendrikje Mautner: |
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InhaltsverzeichnisVorbemerkung I. Die Vorgeschichte: Verdi trivial Wagners Einfluß auf Verdi: ein Topos der Musikkritik II. Die Bühne, auf der die Verdi-Renaissance spielt 1. Die Kulisse für Verdis Auftritt: die Opernkrise 2. Verdis Auftritt: die Verdi-Renaissance III. Franz Werfel als Regisseur der Verdi-Renaissance: »Verdi. Roman der Oper« 1. Musik und Literatur 2. »Biographische Phantasie«: zwischen Fiktion und
Wissenschaft 3. Nun endlich: Franz Werfels Verdi-Roman IV. Franz Werfel als Librettist der Verdi-Renaissance Autonomie oder Funktionalität? 1. »Ich habe nicht den Text übersetzt, sondern die Musik«:
Franz Werfels Nachdichtungen 2. »Neu-Erleben« statt »Nachempfinden«: »Don Carlos« Franz Werfels Zusammenarbeit mit Lothar Wallerstein »Er hat geistige Bewegungen geschaffen «: Zusammenfassung Literatur Anhang
Zusammenfassung des InhaltsLeierkastenkomponist«, Musiker des »Hm-ta-ta, Hm-ta-ta«: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Giuseppe Verdi im deutschen Sprachraum alles andere als ein angesehener Komponist. Den musikalisch Gebildeten schien er gerade wegen seiner Popularität im Hinblick auf seinen ästhetischen Rang verdächtig. Eine grundlegende Revision der deutschen Verdi-Einschätzung setzte sich erst im Verlauf der zwanziger Jahre im Kontext der sogenannten »Opernkrise« durch. Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Krisenbewußtseins zeichnete sich die »Verdi-Renaissance« ab, deren wesentlicher Initiator der Dichter Franz Werfel war. Mit seinem 1924 erschienenen, außerordentlich erfolgreichen Buch Verdi. Roman der Oper, einer Art Programmschrift seiner Aktivitäten für Verdi, sowie seinen deutschsprachigen Libretto-Nachdichtungen von La forza del destino, Simon Boccanegra und Don Carlos schrieb er gegen das in Deutschland geläufige negative Verdi-Urteil an. Damit trug er zu einer grundsätzlichen Neubewertung des Komponisten bei und schuf ein von der tradierten Sicht abweichendes, zum Teil heute noch gültiges Verdi-Bild. Was zu Beginn des Jahrhunderts noch als Kitsch galt, wurde durch Werfels Einfluß in den zwanziger Jahren zur Kunst erhoben. Der Autorin gelingt es, Werfels Sicht auf Verdi und die italienische Oper mit ihren Prämissen und Bedingungen herauszuarbeiten. Sie spürt der Motivation nach, die hinter dieser Wendung gegen die deutsche Tradition des Musiktheaters im 19. Jahrhundert steckt, und verdeutlicht deren Auswirkungen auf den Opernbetrieb der zwanziger Jahre. Die Grundlage zur Rekonstruktion von Werfels Verdi-Bild und seiner Prämissen bildet die Auswertung bisher nicht publizierter Quellen aus dem Werfel-Nachlaß, vor allem des Notizbuches Venedig 1923. Notizen zum Verdi.
RezensionenDie Musikforschung, Heft 1, 2003 Der Begriff »Verdi-Renaissance« stammt aus der Musikpublizistik der zwanziger Jahre und ist vor allem auf das Wirken von Franz Werfel bezogen. ( ) Ohne die Autorität Werfels wäre Verdi jedenfalls nicht das geworden, was er seit den zwanziger Jahren in den Augen der Musikkenner ist: der große Antipode Wagners im 19. Jahrhundert. Umsichtig schildert Hendrikje Mautner in ihrer Dissertation das gängige Verdi-Bild des musikalisch Gebildeten zu Beginn des Jahrhunderts. Für ihn war er nichts als der Leierkasten- und Trivialkomponist, dessen Bestes man in den als selbstverständlich angenommenen Wagner-Einflüssen sah und dem, entsprechend der dichotomischen Typologie im musikalischen Denken des 19. Jahrhunderts, erst Meyerbeer, dann Wagner positiv gegenübergestellt wurden. Im Mittelpunkt der Dissertation steht die bisher ausführlichste weniger literarische als musikgeschichtliche Analyse von Werfels Verdi-Roman. Dabei gelangt die Verfasserin zu vielfach neuen Erkenntnissen, da sie die amerikanischen Werfel-Nachlässe, zumal die Entwürfe und Notizen zu dem Roman gesichtet hat. ( ) Die Verfasserin kann mit überraschenden Quellenfunden aufwarten, deren aufregendster Werfels Studium von Giuseppe Mazzinis Filosofia della musica ist, die ursprünglich im Roman selber ausdrücklich erwähnt werden sollte und deren unabweisbare Spuren eine faszinierende neue Sicht desselben ermöglichen. Mautner bettet den Verdi-Roman in ein breites literarisch-musikästhetisches Beziehungsfeld ein, indem sie auf verwandte fiktionale Texte des 19. Jahrhunderts wie Balzacs Gambara und die Tradition der »Biographie romancée« rekurriert. Das eigentliche Thema des Verdi-Romans ist die Gegenüberstellung von Verdi und Wagner als Repräsentanten polar entgegengesetzter Kunstanschauungen, die freilich in rigoroser Umwertung die dichotomische Struktur musikästhetischen Denkens seit dem 19. Jahrhundert fortsetzt, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts Verdi so sehr zum Nachteil ausgeschlagen war. In Detailanalysen demonstriert die Verfasserin die Bearbeitungstechnik Werfels in seinen Verdi-Adaptionen, die er als Übersetzung nicht des Librettotextes, sondern der Musik Verdis ausgab. Damit nahm er sich das Recht oft sehr freier Nachdichtung heraus, die neue interpretatorische und dramaturgische Akzente setzte und durch nicht immer glückliche (Über-) Poetisierung den Opern höhere literarische Qualität zu geben versuchte. Daß seine Reime freilich bisweilen trivialer geraten sind als die der Originallibretti, ist von den Zeitgenossen spottend bemerkt worden, doch die Verfasserin hält sich mit der Kritik an Werfels Verfahren sehr zurück. Überzeugend weist sie nach, wie stark er zumal in seinem Versuch einer vorsichtigen Aktualisierung der Gestalten und Konstellationen des Librettos den Intentionen des Regietheaters der zwanziger Jahre folgte, die nun vom Schauspiel auf die Opernbühne übertragen werden sollten. Die Verdi-Renaissance wird von der Verfasserin als Reaktion auf die
seinerzeit viel beredete »Opernkrise« gedeutet, die mit dem
abnehmenden Interesse am wagnerschen Musikdrama in den zwanziger
Jahren einerseits und der »Kopflastigkeit« der zeitgenönssischen
Opernexperimente andererseits zusammenhing. Aus dieser Krise suchte
Werfel welcher der Neuen Musik, die er in seinem Verdi-Roman in
dem Neutöner Mathias Fischböck personifizierte, überaus
kritisch gegenüberstand , durch die Rehabilitierung und
Wiederbelebung Verdis einen Ausweg: Revolution des in die Krise
geratenen Musiktheaters durch Rückgriff auf die Vergangenheit.
Die Verfasserin bringt dieses Konzept fesselnd mit Hofmannsthals Idee
einer »konservativen Revolution« in seiner Rede »Das
Schrifttum als geistiger Raum der Nation« (1927) in Verbindung.
Damit trifft sie in der Tat wohl den Kern der von Werfel dominierten
Verdi-Renaissance. Mautners Monographie ist jedenfalls die überzeugendste
Darstellung dieser für das Musikleben der Weimarer Republik und
das moderne Verdi-Bild so folgenreichen Bewegung. Sie hat die gute
Chance, ein Standardwerk zu werden.
literaturkritik.de, September 2001 Hendrikje
Mautner (
) untersucht, weshalb sich die Einschätzung Verdis
seit den zwanziger Jahren so grundlegend veränderte, daß
sogar bis dahin unbekannte Teile seines uvres Einzug auf
deutschen Opernbühnen hielten. (
) Hervorhebenswert sind
dabei insbesondere die kontextualisierenden Ausführungen der
Autorin zum zeitgenössischen Kulturpessimismus und Krisenbewußtsein.
Mautner entwirft ein sehr differenziertes Bild der Situation (
)
Eine derartige Umsicht macht Mautners Buch nicht nur unter
musikwissenschaftlicher, sondern auch unter kulturwissenschaftlicher
Perspektive interessant. (
) (Ein) kenntnisreich geschriebener
und auch satz- und drucktechnisch sorgfältig gestalteter Band.
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