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Zusammenfassung des Inhalts
Aus dem Vorwort des Autors Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann gehören zu den großen Figuren der musikalischen und literarischen
Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dass sie sich trafen und eine Reihe von Werken miteinander schaffen konnten, ist ein epochaler Glücküfall ähnlich der Zusammenarbeit von Hugo
von Hofmannsthal und Richard Strauss zwei Generationen vorher. Anders als bei dem Österreicher Hofmannsthal und dem Deutschen Strauss gab es zwischen der in Klagenfurt geborenen
Dichterin Bachmann und dem in Gütersloh zur Welt gekommenen Komponisten Henze aber ein Einvernehmen, das über die gegenseitige Wertschätzung als Künstler weit hinaus ging. Henze
und Bachmann haben sich geliebt, ungeachtet ihrer differenten sexuellen Veranlagungen. Wohl wissend, dass Kunst und Leben nicht nur nicht gleichgesetzt werden können, sondern kategorial
verschiedenen Daseinsbereichen zuzuordnen sind, machen die Briefe, die sich beide gegenseitig schrieben, deutlich, wie eng verzahnt das eine mit dem anderen ist. Zwar bleibt das künstlerische
Werk der wichtigste Aspekt der Beziehung zwischen Bachmann und Henze, und auf ihr Schaffen sollten sich öffentliche Erörterungen vorwiegend beziehen. Die Werke selbst verweisen indes
hier und da zurück auf das wirklich gelebte Leben dieser beiden sich so nahe stehenden Menschen, sei es durch die Wahl von Sujets, sei es durch persönliche, letztlich öffentliche Widmungen,
sei es durch Zitate und Anspielungen, die vielleicht nur der jeweils andere verstehen konnte.
Die konkrete, unmittelbare künstlerische Zusammenarbeit von Henze und Bachmann ist bereits gut
untersucht und ausführlich erörtert worden. Insbesondere fanden die Opern Henzes, zu denen Bachmann die Libretti einrichtete beziehungsweise schrieb, Interesse bei Musik- und
Literaturwissenschaftler/innen. Aber auch ihre übrigen Gemeinschaftswerke wurden analysiert und interpretiert. Kaum aber ist einmal in jene Werke hineingefragt worden, die sie zwar getrennt
geschrieben, sicherlich aber miteinander besprochen haben. Dazu gehören ihre »Undine«-Arbeiten aus den 1950er Jahren einerseits und Henzes Tasso-Vertonung »Ariosi« von 1963 sowie
Bachmanns hierauf bezogenes Gedicht »Enigma« von 1964/68 andererseits. Es lohnt sich, diese kleine Gruppe von indirekten Gemeinschaftswerken der beiden Künstler einmal auf Referenzen
und auch auf Differenzen hin anzusehen und dabei auch die jeweiligen Umstände ihres Lebens miteinander oder in Distanz zueinander mit einzubeziehen.
Werk und Leben von Hans Werner
Henze beschäftigten mich seit Mitte der 1980er Jahre. Fasziniert von seiner Musik und bemüht, seine musikalische Sprache verstehen und beschreiben zu können, legte ich im Laufe der Zeit einige
Texte vor, die unter anderem auch die Zustimmung von Henze selbst fanden. Einmal lud er mich ein, für drei Tage in sein Haus in Marino bei Rom zu kommen, um über seine Arbeit zu sprechen.
Es war die Zeit, als er gerade an seiner 8. Sinfonie schrieb. Ihn bewegten aber auch schon Ideen und Konzepte zu »Venus und Adonis« und »Sinfonia N.9«. Außer über Musik und Ästhetik
sprachen wir auch über Freunde und Feinde, die beide in großer Zahl Henzes Lebensbahn gekreuzt hatten. Zu den liebsten und vertrautesten Menschen in seiner Nähe gehörte zweifellos
Ingeborg Bachmann, deren Tod damals zwanzig Jahre zurück lag. Und doch war es unverkennbar, dass Henze, sobald wir auf dieses Thema kamen, von Gefühlen bewegt und von Erinnerungen
geradezu heimgesucht wurde. Er schilderte mir genauestens die Ereignisse um den 26. September 1973, so wie sie sich ihm dargestellt hatte: dass er von Bachmanns Brandunfall in ihrer römischen
Wohnung erst am Tag danach erfuhr, dass er sie dann sofort in der Klinik besuchte, dass er nur mit Atemmaske zu ihr durfte und sie nur schwach reagierte, dass ihr Körper und ihr Gesicht völlig
entstellt waren, dass der Anblick der weggebrannten Ohren ihn an den Rand des Wahnsinns brachte, dass er in Panik davonstürzte und sich danach jahrelang in psychotherapeutische Behandlung
hatte begeben müssen. Andererseits bekräftigte Henze mir gegenüber ein weiteres Mal, wie wichtig die Beziehung zu Bachmann für ihn gewesen sei. Anfangs half sie ihm bei der Orientierung in
künstlerischen und geistigen Fragen »ihr Geist half meiner Schwachheit auf«, war eine seiner typischen Sprachspiele , dann beriet er sie in musikalischen Angelegenheiten, so dass sie am Ende
bekannte, dass sie erst durch ihn Henze »wirklich Musik verstanden habe«.
Bibliophiles
Gedruckt wurde dieses Buch von der Firma Bookstation in Anzing
bei München auf »Alster«, einem holzfreien, säurefreien und alterungsbeständigen Werkdruckpapier mit angenehm
gelblichweißer Färbung und hohem Volumen, das von der Firma Geese in Hamburg geliefert wurde. Werkdruckpapiere sind hochwertige,
maschinenglatte (so wie sie aus der Papiermaschine kommen) oder (wie »Alster«) leicht satinierte, das heißt geglättete und
wenig geleimte Druckpapiere. Und ein höheres Volumen bedeutet, dass ein Papier dicker als ein Standardpapier ist. Das Alster-Werkdruckpapier
mit einem Flächengewicht von 90g/qm weist ein 1,75faches Volumen auf. Es ist fülliger, aber nicht schwerer als ein Standardpapier mit demselben
Flächengewicht und 1fachem Volumen.
»Keaykolour Original«, ein ungestrichener, durchgefärbter Naturkarton mit wolkiger »Pergament«-Oberfläche, der den Buchblock umschließt,
wird von Arjo Wiggins in Frankreich gefertigt. Selbstverständlich ist auch dieser Karton holzfrei, chlorfrei und pH-neutral. Umlegt
(und somit zu einer sogenannten Englischen Broschur veredelt) ist dieser Kartonumschlag mit »Gmund Original Vergé«, einem Büttenpapier
mit charakteristischer Rippung und zehnprozentigem Baumwollanteil, das von der Büttenpapierfabrik Gmund am Tegernsee mit Hilfe einer Rundsiebmaschine geschöpft wird.
Vergé ist die Bezeichnung für ein geripptes Papier, bei dem das Geflecht des Schöpfsiebs als helle, dicht
nebeneinander liegende Querlinien und in größerem Abstand rechtwinklig dazu verlaufende Längslinien zu erkennen ist. Alle
Papiere bis Mitte des 18. Jahrhunderts waren Vergé-Papiere. Ihre rauhe, gerippte Oberfläche bereitete den Druckern immer wieder Schwierigkeiten,
vor allem bei kleinen Schriftgraden mit sehr dünnen Linien. Deshalb entwickelte der englische Drucker John Baskerville, in
Zusammenarbeit mit dem Papiermacher James Whatman, ein äußerst feines Schöpfsieb, das nicht geflochten, sondern aus feinen Drähten
gesponnen wurde, wodurch eine völlig glatte und gleichmäßige Papieroberfläche ohne Rippung erreicht wurde. Nun waren Drucke mit
klarerem, schärferem und auch schwärzerem Druckbild möglich. (Baskerville experimentierte auch mit neuartigen, auf sein neues Papier
abgestimmten Druckfarben.) Baskerville nutze das »Velin« genannte Papier erstmals 1757 für den Druck einer Vergil-Ausgabe.
In Deutschland wurde das erste Velinpapier 1797 durch den Papiermacher Ebart in Spechthausen (heute Ortsteil von Eberswalde in Brandenburg) produziert.
Gebunden wurde der Band von der Buchbinderei Diegmann-Bückers, die wie die Druckerei Bookstation im bayerischen Anzing ansässig ist.
Noch ein paar Sätze zur Typografie: Gesetzt wurde das hier vorgestellte Buch aus der »Bembo«, einer Renaissance-Antiqua, die der Drucker Aldus Manutius 1496 für den Druck des Traktats De Aetna von
Pietro Bembo verwendete. Geschnitten wurde sie von Francesco Griffo aus Bologna. Die Kursive stammt jedoch nicht von Griffo, sondern ist dem Musterbuch des Giovanni Tagliente,
Venedig 1524, entnommen. Umschlag und Titel wurden aus der »Koch-Antiqua« gesetzt, die von Rudolf Koch 1922 entworfen wurde.
Berühmt wurde Manutius durch den Druck des Werkes Hypnerotomachia Poliphili von Francesco
Colonna 1499, das als eines der am besten gedruckten Bücher seiner Zeit gilt. Schrift, Bild (Holzschnitte), Schmuck (Initialen) und Typografie sind hier erstmals in
einem Renaissance-Buch in idealer Weise zu einer harmonischen Einheit verbunden worden. Gesetzt ist dieses Buch aus der sogenannten Poliphilus-Type, die ebenfalls von
Francesco Griffo entworfen und geschnitten wurde und eine Weiterentwicklung der »Bembo« darstellt. Die Drucke Manutius', die die Schriften Griffos verwenden,
wurden die ersten Drucke von bleibender Bedeutung in einer Antiqua-Schrift, nachdem zuvor, etwa um 1470, Nicolaus Jenson den Prototyp der Renaissance-Antiqua geschaffen hatte.
Dieser Schrifttypus stand ästhetisch aber auch satztechnisch in starkem Kontrast zu den anderen Schriften jener Zeit:
den Gotico-Antiqua-, Rotunda- und Textura-Schriften. Im 16. Jahrhundert setzte sich die Renaissance-Antiqua in Frankreich, Italien, Spanien und England rasch durch,
auch wenn die anderen Schriften vor allem die raumgreifende, repräsentative Textura (Missalschrift) noch lange in Gebrauch blieben (die folgende
Abbildung zeigt ein Textura-Alphabet mit lateinischem Vaterunser aus dem Lehrbuch Kaiser Maximilians; in der
Initiale »P« ist Maximilian mit seinem Lehrer zu sehen). In Deutschland hingegen wurde die Fraktur
zur vorherrschenden Schrift. Diese wurde auf Initiative von Kaiser Maximilian, der Bücher sammelte, sich für Schriftkunst interessierte und selber Schriftentwürfe
zeichnete, von dem Augsburger Drucker Johann Schönsperger entwickelt und erstmals im Gebetbuch Maximilians (Augsburg 1514) gedruckt.
Um 1600 hatte sich die Fraktur in Deutschland weitgehend durchgesetzt, lediglich theologische und wissenschaftliche Werke sowie Zeitschriften wurden mit Rücksicht auf die
Gelehrten anderer europäischer Länder in Antiqua gedruckt.
Im Folgenden sehen Sie einige Beispielseiten aus dem Buch als PDF (gesetzt aus der »Bembo«) sowie das
Titelblatt und den Umschlag mit Buchrücken (gesetzt aus der »Koch-Antiqua«).
Und abschließend noch einige weiterführende Literaturangaben zur Typografie: Colonnas Hypnerotomachia Poliphili ist als Nachdruck mit separatem Kommentarband erhältlich (Adelphi Edizioni, Mailand, 2. Auflage 1999). Das
Gebetbuch Kaiser Maximilians mit den Randzeichnungen von Albrecht Dürer und Lucas Cranach d. Ä. gibt es als prächtiges Faksimile im Samteinband mit
Goldprägung (Prestel-Verlag, München 1987). Mehr zu den bibliophilen Neigungen Kaiser Maximilians enthält der Kommentarband »Kaiser Maximilian und die Medien seiner Zeit«,
der dem Faksimile des von Maximilian verfaßten Epos Die Abenteuer des Ritters Theuerdank (1517) beiliegt (Taschen, Köln 2003). Ein grundlegendes Werk zur Buch- und Schriftgeschichte
ist Das Buch vom Buch. 5000 Jahre Buchgeschichte von Marion Janzin und Joachim Güntner (Schlütersche, Hannover 1997).
Rezensionen
Die Musikforschung 2017, Heft 2 Auch Peter Petersen thematisiert nun im vorliegenden Band noch einmal das gemeinsame Schaffen von
Henze und Bachmann vor dem Hintergrund des 2004 erschienenen Briefwechsels. Er schreibt mit dem Wissen eines langjährigen Henze-Forschers und schöpft dabei unter anderem aus
persönlichen Gespächen mit dem Komponisten. So entstand eine zwar in Teilen subjektive, aber gerade deshalb umso lesenswertere Mischung aus biographischer Zusammenschau, persönlichen
Deutungsangeboten für die Werkinterpretationen und musikalischer Analyse. Eine besondere Leistung des Bandes liegt darin, mit den Interpretationsangeboten der Bachmann-Forschung
auch die germanistische Perspektive zu integrieren. [
] Die Fragen, die er an die Werke Henzes und Bachmanns aus biographischer Perspektive stellt, zeigen, dass das Nachdenken
über Künstlerbiographie und Kunst noch immer hochaktuell ist. [
] Das vom Argus-Verlag sehr ansehnlich aufgemachte, mit Fotos versehene lesenswerte Buch bildet den gelungenen
Auftakt für neue Impulse der Henze-Forschung nach dem Tod des Komponisten. Antje Tumat
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