Das flüchtige Werk. Pianistische Improvisation der Beethoven-Zeit
Herausgegeben von Michael Lehner, Nathalie Meidhof und Leonardo
Miucci unter redaktioneller Mitarbeit von Daniel Allenbach



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Zusammenfassung des Inhalts

Obwohl es keine musikalische Epoche ohne Improvisation gab (und gibt) und sich zu allen Zeiten berühmte Vertreterinnen und Vertreter der flüchtigen Kunst des Ex-tempore-Spiels finden, muss das Zeitalter Beethovens wohl als das letzte gelten, in der die pianistische Improvisationspraxis eine Selbstverständlichkeit und das Stehgreif-Spiel bis zu einem gewissen Grade eine für alle Tasteninstrumente notwendige Fertigkeit war. Dennoch nahmen bei aller Selbstverständlichkeit in der Praxis Künstler wie Ludwig van Beethoven selbst oder Johann Nepomuk Hummel hier eine Sonderstellung ein und erfuhren die besondere Wertschätzung und Bewunderung des Publikums, wie zahlreiche Quellen dokumentieren: im ungläubigen Staunen der Zuhörer über den Komplexionsgrad beim »Komponieren im Moment« ebenso wie über den solchen Aufführungen innewohnenden ästhetischen Reiz des Außergewöhnlichen.
Ziel des vorliegenden Bandes ist es, diese vielfältige Improvisationskultur der Beethoven-Zeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln darzustellen. Musikhistorische Erkenntnisse aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (beispielsweise von Herbert Schramowski, Peter Schleuning und Arnfried Edler) sollen hier in Einzelaspekten vertieft und insbesondere um Fragestellungen der historically informed performance practice und historisch informierten Musiktheorie ergänzt werden. Mithilfe der Einbeziehung des Musiktheorieverständnisses der Zeit lassen sich konkrete Fragen zu improvisatorischen Strategien etwa in der Offenlegung satztechnischer Modelle, Muster oder formaler Anlagen eingehender behandeln und so zumindest Rückschlüsse auf die erfolgte Inklangsetzung improvisierter Musik ziehen.
Eine weitere Absicht dieses Bandes ist es, die Improvisationskultur um 1800 in ihren vielfältigen Ausprägungen und mit ihren gesellschaftlichen und ästhetischen Implikationen darzustellen, wovon Beethovens herausragendes Ex-tempore-Spiel letztlich nur einen, wenn auch einen sehr prominenten Fall darstellt. Die Bedeutung der Improvisation für Beethovens Wirken als Pianist und Komponist ist dabei relativ gut dokumentiert und umfassend dargestellt. In den Beiträgen von Leonardo Miucci und Nathalie Meidhof wird dieser Forschungsstand um zwei Aspekte ergänzt: hinsichtlich der Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte der Beethoven'schen Klavierkonzerte einerseits, hinsichtlich satztechnischer Verfahren in Variationssätzen andererseits.
Die übrigen Beiträge streben an, das Blickfeld auf die Improvisationskultur der Zeit in unterschiedlichen Themenfeldern zu erweitern. Dazu gehören die Lehrwerke der Zeit, konventionelle, satztechnische Muster des Improvisatorischen, die Partimento-Tradition in klassischer Formensprache, komponierte Fantasien und ihr Verhältnis zum improvisatorischen Erbe, die ästhetischen Sichtweisen auf die Stegreif-Praxis und nicht zuletzt deren Stellenwert im gesellschaftlichen Gefüge am Beispiel der Stadt Wien. In insgesamt zehn Beiträgen wird versucht, diesen Aspekten auch in ihrer gegenseitigen Verflechtung in unterschiedlichen Ausrichtungen und Blickwinkeln Rechnung zu tragen.
Die Kenntnis von Improvisationslehren und Partimenti sowie das Herausarbeiten satztechnischer Modelle und formaler Strategien in improvisationsbasierten Genres kann Ansätze einer zumindest partiellen Rekonstruktion und einer Reaktivierung historischer improvisatorischer Stile für die heutige musikalische Praxis ermöglichen. Dies böte nicht nur eine erfreuliche Bereicherung einer allzu starren Konzertkultur, sondern ist für die angemessene Interpretation notierter Kompositionen der Wiener Klassik eigentlich unabdingbar. Das Zusammengehen von historischer Quellenforschung und künstlerischer Forschung im Zuge der historisch informierten Aufführungspraxis zieht längst Vorstellungen von einem »unveränderlichen Werk« und der selbstverständlich scheinenden Grundlage eines erschließbaren Urtexts für Klaviermusik um 1800 in Zweifel. Forschungsergebnisse wie diese stellen die dringliche Frage, ob es noch angemessen sein kann, selbst Passagen im Frühwerk Beethovens – von Mozarts zahlreichen nur gerüstartig notierten Sätzen ganz zu schweigen – schlicht auf der Grundlage des erhaltenen Notentexts zu spielen, oder ob Interpretation im eigentlichen Wortsinn nicht bedeuten müsste, Verzierungen und improvisatorische Figuren dort anzufügen, wo sie im Notentext zum Beispiel durch Fermaten oder klar erkennbare Gerüstsätze erwartbar sind – ganz gleich ob sie dann tatsächlich im Moment erfunden oder ausgearbeitet und quasi-improvisando vorgetragen werden. Wenn es dem vorliegenden Band gelänge, Impulse für eine aktivere Rolle des Improvisierens in diesem Sinne zu geben, wäre dies allein ein großer Gewinn.
 

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Gesetzt wurde dieses Buch aus der »Seria« und der »SeriaSans«, die von dem Schriftdesiger Martin Majoor im Jahre 2000 gezeichnet wurden. Auffallend an der »Seria« ist die elegante Kursive, die fast ohne Neigung auskommt, jedoch eigenständige und zum Teil sehr ausgefallene Buchstabenformen aufweist. Dadurch unterscheidet sie sich einerseits deutlich von der Geraden und erfüllt somit ihre Funktion als Auszeichnungsschrift (zum Beispiel für Werktitel); andererseits passt sie sich durch die minimale Neigung sehr harmonisch in das Schriftbild der Geraden ein. Der folgende Link verweist auf einige Beispielseiten aus dem Buch als PDF in der Originalschrift »Seria« mit der Kursiven als Auszeichnungsschrift bei Werktiteln und ähnlichem und der »SeriaSans«, die für Überschriften, Zwischentitel und Bildlegenden verwendet wurde. Außerdem können Sie hier noch die Titelei mit Reihen- und Haupttitel (Seite 2 und 3) sehen.
Gedruckt wurden das Buch von der Firma Bookstation in Anzing bei München auf »Eos«, einem holzfreien, säurefreien, chlorfreien und alterungsbeständigen Werkdruckpapier mit angenehm gelblichweißer Färbung und hohem Volumen, das von der Papierfabrik Salzer im niederösterreichischen Sankt Pölten hergestellt wird. Werkdruckpapiere sind hochwertige, maschinenglatte (so wie sie aus der Papiermaschine kommen) oder (wie »Eos«) leicht satinierte, das heißt geglättete und wenig geleimte Druckpapiere. Und ein hohes Volumen bedeutet, dass ein Papier dicker als ein Standardpapier ist. Das Eos-Werkdruckpapier mit einem Flächengewicht von 90g/qm weist ein 1,75-faches Volumen auf. Es ist fülliger, aber nicht schwerer als ein Standardpapier mit demselben Flächengewicht und 1-fachem Volumen.
Das Vorsatzpapier »Caribic Cherry« wurde von Igepa in Hamburg geliefert. Vorsatzpapiere müssen besonders zäh und reißfest sein, da der gesamte (fadengeheftete) Buchblock mit Hilfe des Vorsatzes in den Umschlag »eingehängt« wird, und das bedeutet: Der Vorsatz muss (zusammen mit dem sogenannten Fälzelstreifen, der aus Fälzelpapier oder Gewebe besteht) das zum Teil nicht unerhebliche Gewicht des Buchblocks in der Buchdecke halten.
»Rives Tradition«, ein Recyclingpapier mit leichter Filznarbung, das für den Bezug des Umschlags verwendet wurde, wird von der Papierfabrik Arjo Wiggins in Issy-les-Moulineaux bei Paris gefertigt. Nicht zu vergessen das Kapitalband mit rot-schwarzer Raupe, das von der Firma Dr. Günther Kast, Technische Gewebe und Spezialfasererzeugnisse, in Sonthofen im Oberallgäu gewoben wurde. Die sogenannte Raupe ist der sichtbare runde Teil des Kapitalbandes. Dieses wird mit einem flachen Band, das an der Raupe angewoben ist, am Buchrücken festgeklebt.
Fadengeheftet und gebunden wurde der Band schließlich von der Druckerei Bookstation.
Die hintere Umschlagseite mit Buchrücken und vorderer Umschlagseite können Sie hier als PDF sehen.
 

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Rezensionen

Die Musikforschung, Heft 4, 2022       Insgesamt stellen die durchweg spannenden Beiträge eine echte Bereicherung dar sowohl zur Erforschung der Vielgestaltigkeit von Improvisationspraxis um 1800 als auch zu allgemeineren Fragen des Umgangs etwa mit improvisationsähnlichen Kompositionen. Der Band ist perfekt lektoriert. Ein hilfreicher Service ist das »Namen-, Werk- und Ortsregister« am Ende des Bandes.        Philip Feldhordt

 

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